Kammerherrenschlüssel

Symbole der Macht, des Vertrauens und der höfischen Tradition

Entwicklung der Kammerherrenschlüssel im Königreich Sachsen

Die Entwicklung der sächsischen Kammerherrenschlüssel lässt sich bis in die Regierungszeit der albertinischen Kurfürsten im 17. Jahrhundert zurückverfolgen. Ob bereits unter Johann Georg I. (1585–1656) Rangabzeichen in Form von Schlüsseln existierten, ist bislang nicht eindeutig belegbar; frühe Inventarverzeichnisse lassen jedoch entsprechende Hofabzeichen vermuten. Sicher nachweisbar ist die Vergabe charakteristischer Kammerherrenschlüssel erst in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts, als die albertinischen Kurfürsten ihren Hofstaat ausbauten und die höfischen Ämter zunehmend formalisierten. Die frühesten eindeutig identifizierbaren sächsischen Schlüssel stammen aus der Regierungszeit Augusts des Starken (1670–1733), der ab 1694 Kurfürst von Sachsen und ab 1697 König von Polen war. Diese Schlüssel bestanden überwiegend aus feuervergoldeter Bronze, waren etwa 15–16 cm lang und zeigten im rund ausgeformten Kopf das verschlungene Monogramm „AR“ (Augustus Rex). Der Rahmen war von dichtem barockem Rankenwerk umgeben, das einen zentralen Schild einfasste, häufig ergänzt durch den sächsischen Rautenkranz. Der Bart war ornamental durchbrochen, die Rückseite glatt oder leicht profiliert. Der Hof Augusts des Starken galt als einer der prunkvollsten Europas, was sich in der reichhaltigen Gestaltung dieser frühen Schlüssel widerspiegelt. Unter Friedrich August II. (1696–1763) wurden die Schlüssel leicht modifiziert: Sie wuchsen auf etwa 17 cm, das Monogramm „FA“ unter einer Krone trat deutlich hervor.

Mit dem Ende der polnisch-sächsischen Personalunion 1763 wandelte sich die Hofkultur grundlegend. Unter Kurfürst Friedrich Christian (1722–1763) und Friedrich August III. (1750–1827), der 1806 als Friedrich August I. erster König von Sachsen wurde, entstanden Kammerherrenschlüssel im frühklassizistischen Stil. Einige Exemplare bestanden aus vergoldetem Eisen oder Bronze, maßen zwischen 15 und 16,5 cm und wiesen ein ovales oder rundes Feld mit dem Monogramm „FA“ unter sächsischer Königskrone auf. Die Ornamentik war klarer, der Schaft schlichter, der Bart geometrisch gestaltet. Mit der Königserhebung 1806 wurde ein neues System höfischer Insignien eingeführt, sodass die Schlüssel dieser Epoche eine vergleichsweise einheitliche Erscheinung zeigen. Unter König Anton (1755–1836) und Friedrich August II. (1797–1854) setzte sich eine weitere Vereinfachung durch: Typisch sind Modelle aus vergoldetem Messing von 14–15 cm Länge, deren Monogramm in ein klassizistisches Lorbeeroval eingelassen war. Die Krone wurde zurückhaltend ausgeführt. Fertigungen erfolgten meist in kleinen Serien in Dresdner Werkstätten, was geringe Variationen in Ziselierung und Monogrammumrahmung erklärt. Eine erneute stilistische Aufwertung erfolgte unter Johann (1801–1873) und insbesondere unter König Albert (1828–1902). Die Kammerherrenschlüssel dieser Zeit aus vergoldetem Silber waren 15–16 cm lang und wogen 70–90 g. Der Griff trug ein hochovales Medaillon mit dem Monogramm „AR“ oder „JR“, umgeben von einem dichten Lorbeerkranz, die Krone wurde plastischer und teilweise durchbrochen gestaltet. Der Bart kombinierte florale Elemente mit symmetrischer Linienführung.

Unter den letzten beiden Königen, Georg (1832–1904) und Friedrich August III. (1865–1932), blieb die Grundform stabil: Schlüssel von 14–15 cm Länge aus vergoldetem Silber oder Metall zeigten die Monogramme „G“ bzw. „FA“. Die geringe Anzahl überlieferter Schlüssel erklärt sich durch die moderate Größe des sächsischen Hofes, der im Vergleich zu Preußen oder Bayern deutlich kleiner war. Während unter August dem Starken bis zu 120 Kammerherren bestanden, reduzierte sich deren Zahl im 19. Jahrhundert deutlich. Heute zählen originale sächsische Kammerherrenschlüssel zu den seltenen höfischen Rangabzeichen des deutschen Sprachraums.

Archivische Quellen belegen bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts eine konsequente Rückgabepflicht: Neue Schlüssel wurden nur gegen Abgabe der alten ausgegeben (Rescripte 1807/1808). König Friedrich August ordnete an, dass Schlüssel und Quasten stets vollständig bei Hof und Dienst getragen werden mussten. Die Quasten mussten von den Kammerherren selbst beschafft werden; die Schlüssel wurden vom Oberkammerherren-Departement bereitgestellt. Diese Rückgabepflicht bestand bis ins späte 19. Jahrhundert, wie Quittungen und Entwurfsschreiben der Jahre 1892 und 1900 belegen. Einnahme- und Ausgabebücher dokumentieren zudem farbige Schleifen zur Rangdifferenzierung: Oberkammerherren führten Schlüssel an blauer Schleife, Kämmerer an roter, gewöhnliche Kammerherren an einer Quaste. Die Herstellungskosten der Schlüssel betrugen 15 Mark für Neuanfertigungen, 6 Mark für Aufarbeitungen; Zusatzkosten für farbige Schleifen 1,50–2,50 Mark pro Stück.

Die Produktion erfolgte durch Hofgürtlermeister wie Johann Gottlob Bach (1807–1853), Franz Mieth (1855–1870), Louis Alex Seyffarth (1870–1902), Adolph Brendler (1901) und Gustav Hermann Osang (1902–1918). 1807 erhielten alle 103 Kammerherren des neu erhobenen Königreichs Sachsen einen Schlüssel, später erfolgten nur noch Einzelanfertigungen oder Aufarbeitungen. Zwischen 1807 und 1918 sind 101 dokumentierte Aufarbeitungen belegt, darunter wenige mit farbigen Schleifen.

Die Trageweise war streng geregelt: Schlüssel mit Schleife oder Quaste wurden an der rechten Hüfte getragen. Kammerherren, die zugleich Staatsdiener waren, mussten den Schlüssel auch an der offiziellen Staatsdiener-Uniform führen. Der Oberkammerherr hatte das Privileg, zusätzlich einen Stock zu führen und den Schlüssel an blauer Schleife zu tragen. Die Rückgabepflicht erstreckte sich auf alle Schleifenfarben und unterlag der Verantwortung des Oberkammerherren.

Die höfische Aufgabe unterschied zwischen Kammerherrn und Kämmerern: Kammerherren waren Hofadelige mit repräsentativen Aufgaben, Kämmerer staatliche Verwaltungsbeamte. Für die Ernennung zum Kammerherrn war ein Mindestjahreseinkommen von 15.000 Mark erforderlich. Die Verleihung der Kammerherrenwürde war mit finanziellen Verpflichtungen verbunden: 900 Mark Stempelgebühr, 150 Mark Honorar für Urkunde und Schlüssel, dazu kamen Kosten für Uniform und Quaste. Besoldete Kammerherren erhielten ein Jahresgehalt von 2.400–3.600 Mark, ergänzt durch Vergünstigungen, jedoch ausschließlich für aktive Amtsinhaber.

Details des Kammerherrenschlüssels im Königreich Sachsen

Königreich Sachsen zwischen 1873-1902

Sächsischer Kammerherrenschlüssel zwischen 1873-1902
Sächsischer Kammerherrenschlüssel zwischen 1873-1902

Der dargestellte Kammerherrenschlüssel ist ein repräsentatives Beispiel für die kunsthandwerkliche Ausgestaltung höfischer Insignien im späten 19. Jahrhundert. Gefertigt aus feuervergoldeter Bronze, weist das Objekt eine klar strukturierte, vertikal gegliederte Form auf, deren einzelne Zonen sowohl funktional als auch symbolisch differenziert gestaltet sind. Den oberen Abschluss bildet eine plastisch modellierte Krone, bestehend aus zwei separat gefertigten Hälften, die auf die darunterliegende Reide aufgesetzt sind. Die Reide selbst – der Kopfbereich des Schlüssels – ist durch florale Ornamentik, symmetrische Voluten und ein zentrales Monogramm charakterisiert. Letzteres zeigt die kunstvoll verschlungenen Initialen „AR“ (Albert Rex) und verweist auf König Albert von Sachsen, der zwischen 1873 und 1902 regierte und als Auftraggeber dieses Schlüssels gilt. Die Reide fungiert als verbindendes Element zwischen Krone und Halm und wurde ebenfalls separat gefertigt, was auf die komplexe Herstellungstechnik und die modulare Bauweise des Objekts hinweist.
Der Halm beginnt mit einer glatt polierten Oberfläche, die durch dekorative Segmente wie Ringe und stilisiertes Blattwerk rhythmisiert wird. Im unteren Bereich verjüngt sich der Halm und mündet in ein Abschlusssegment und in einen geometrisch stilisierten Bart. Dieser Bart ist nicht funktional ausgearbeitet, sondern dient ausschließlich der symbolischen Repräsentation.

Details (Sachsen, 1873-1902)

Nahaufnahme des Zentrums der Reide eines sächsischen Kammerherrenschlüssels mit dem Monogramm AR unter der Krone, flankiert von Voluten und Blätterranken.
Sächsischer Kammerherrenschlüssel - Zentrum der Reide mit dem Monogramm AR
Nahaufnahme des Schlüsselbarts eines sächsischen Kammerherrenschlüssels, nur als Rahmenelement dargestellt.
Schlüsselbart und Abschlußsegment am Ende des Schlüsselhalms

Die gesamte Gestaltung des Schlüssels folgt dem Prinzip der höfischen Inszenierung: Er fungiert nicht als Werkzeug im technischen Sinne, sondern als sichtbares Zeichen von Vertrauen, privilegiertem Zugang und sozialer Zugehörigkeit zur höfischen Elite.

Ein konkretes Beispiel liefert dieser Schlüssel aus der Regierungszeit König Alberts (29. Oktober 1873 bis 19. Juni 1902) wiegt 57,2 g, misst 147 mm in der Länge und 37,6 mm in der Breite. Der Halm verjüngt sich im Querschnitt konisch von 7,3 mm auf 5,7 mm. Abriebspuren an der Vergoldung belegen eine häufige Nutzung. Innerhalb des dokumentierten Zeitraums wurde dieses Modell 71‑mal verliehen; zwei Exemplare davon trugen blaue, zwei rote Schleifen. Ob die mit Schleifen versehenen Schlüssel sich lediglich durch die Farbgebung oder darüber hinaus auch durch Material- und Formvarianten von den an Quasten getragenen Exemplaren unterschieden, ist nach derzeitigem Forschungsstand nicht abschließend geklärt.

Vom dem hier gezeigten Modell wurden insgesamt 60 Kammerherrenschlüssel angefertigt. Von diesen stammten 58 aus der Werkstatt des Hofgürtlermeisters Louis Alex Seyfarth, während zwei Exemplare durch den Hofgürtlermeister Adolph Brendler gefertigt wurden. Darüber hinaus wurden 15 bereits zurückgegebene Schlüssel von Seyfarth zur Wiederverleihung aufgearbeitet, wobei die Maßnahmen überwiegend in einer Neuvergoldung bestanden.